Wir blicken vier Monate zurück: Die schrecklichen rassistisch motivierten, rechtsextremen Morde an zehn Menschen in Hanau liegen wenige Tage hinter uns, die Stadt befindet sich im Ausnahmezustand, die Verletzten kämpfen um ihr Leben, die Angehörige mit ihrer Trauer, ganz Deutschland sucht nach Antworten. In diesen Tagen ist “response” vor Ort, eine Beratungsstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, um die Menschen mit ihrer Angst, ihrer Trauer und ihrer Wut nicht allein zu lassen. Das Bundesfamilienministerium hat damals 50.000 Euro Soforthilfe für die Beratung von Hinterbliebenen des Anschlags zugesagt. Heute, vier Monate später, hat die “response” die Soforthilfen des Ministeriums immer noch nicht erhalten.
Was in einigen Medienberichten wie ein Streit zwischen Ministerium und Beratungsstelle wirkt, in dem Aussage gegen Aussage steht, ist stellvertretend für ein grundsätzliches Problem: in Deutschland werden zivilgesellschaftliche Projekte, die sich für die Demokratie und gegen Rechts stark machen, von Seiten der Politik nicht genügend wertgeschätzt, mehr noch: ihnen wird ihre Arbeit erschwert, durch Zurückweisungen, bürokratische Hürden und/oder finanzielle Kürzungen. Erst im vergangenen Herbst hatte Familienministerin Giffey entschieden, die Förderung von zivilgesellschaftlichen Projekten gegen Rechts für das Jahr 2020 umzustellen. Mit der Folge, dass „Demokratie leben!“, ein bundesweiter Fördertopf für zivilgesellschaftliches Engagement, nun mit mehreren Millionen Euro weniger auskommen muss, was wiederum die Existenz zahlreicher Projekte bedroht und damit auch unsere Demokratie.
Wo auch immer im Fall “response” der Fehler liegen mag: Ohne die Freigabe des Geldes kann “response” die Beratungskosten für die Betroffenen, Überlebenden und ihre Familien in Hanau nicht finanzieren. Und auch nicht für andere Menschen, die rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Gewalt erleben.
Wir als DEMO, als eine Bewegung für Demokratie, positionieren uns klar gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus und fordern daher, dass die Beratungsstelle “response” unverzüglich die notwendigen finanziellen Mittel erhält, um ihre wertvolle antirassistische Arbeit in Hessen leisten zu können. Eine Initiative, die einen derart wichtigen Beitrag für unsere Demokratie leistet und damit der Politik eine Arbeit abnimmt, die eigentlich in ihrer Verantwortung liegen würde, darf nicht durch bürokratische Hürden oder ähnliches von ihrer Arbeit abgehalten werden.
Beratungsstellen wie “response” müssen finanziell und ideell unabhängig arbeiten können und dürfen nicht von der Güte der Ministerien abhängig sein. Als Verein, der ebenfalls von Stiftungsgeldern abhängig ist, beobachten wir diese Entwicklungen mit Sorge und fragen uns, welches Zeichen die Politik in einer Zeit senden möchte, in der Rechtsterrorist*innen Mitbürger*innen und Politiker erschießen und die Menschen ganzer Regionen von rechten Strukturen in Politik und Gesellschaft drangsaliert werden. In solchen Zeiten dürfen antirassistische und demokratische Initiativen nicht in existenzielle Notlagen geraten.
Es muss sichergestellt werden, dass die Beratungsstelle
- die notwendigen finanziellen Mittel ausgezahlt bekommt,
- zivilgesellschaftliche Projekte insgesamt finanziell stärker gefördert werden,
- ihre unabhängige Arbeit sichergestellt wird und
- bürokratische Hürden abgebaut werden.
Andernfalls bleibt vom Gedenken und der Unterstützung für die Betroffenen und Angehörigen von Hanau lediglich eins übrig: ein Zeichen gegen „gegen Rechts“.
Foto: DEMO